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als Naturwissenschaftler

Alexander von Humboldt als Naturwissenschaftler
von Eberhard Arnold  (Sammlung G.Wein)

Die verantwortungsvolle Aufgabe als Oberbergmeister hat Humboldts Kraft und Zeit nicht gänzlich in Anspruch genommen. Er hat sich zusätzlich zu seiner bergmännischen Maßnahmen noch intensiv mit den Naturwissenschaften beschäftigen können, wie aus verschiedenen Briefen, die er in Goldkronach geschrieben hat, hervorgeht.
     Am 12. November 1794 (17) teilte er Johann Friedrich Pfaff (1765-1825) (18) mit, daß er nach einigen Monaten Abwesenheit ( von Mitte Juli bis Anfang November 1794 erfüllte Alexander die Aufträge, die Hardenberg (19) auferlegt hatte) (20) wieder in sein einsames Gebirge zurückgekehrt sei. Zitat:” Den Wissenschaften sind wir nicht fremd geworden, und sie füllen alle, alle meine Muße aus”.
     Mit folgenden naturwissenschaftlichen Themen hat sich Humboldt in Goldkronach laut seinen Briefen beschäftigt:
     1. Mit der Schiefe der Ekliptik.
    2. Mit der Pflanzengeographie und mit Kryptogamen.
    3. Mit galvanischen Versuchen an Muskeln toter Tiere.
    4. Mit Temperaturmessungen in den Gruben.

1.Die unterschiedliche Schiefe der Ekliptik

    Die Ekliptik ist die Ebene der Umlaubahn der Erde um die Sonne, sie ist um ca. 23 1/2 Grad (z. Z. 23 Grad 27  Min) gegen die Äquatorebene der Erde geneigt, d.h. die Erdachse steht nicht senkrecht auf der Ekiptik. Dieser Neigung (Schiefe der Ekliptik) verdanken wir unsere Jahreszeiten mit ihren unterschiedlichen Einstrahlungsverhältnissen der Sonne und  mit ihren unterschiedlichen Temperaturen.
         In zwei Briefen, die Alexander von Humboldt in Goldkronach geschrieben hat, beschäftigte er sich mit der Frage:
          War das Klima in unseren nördlichen Breiten in vergangenen erdgeschichtlichen Zeiträumen wärmer als heute?
         Die beiden Briefe wurden im November 1794 geschrieben, der eine ist an Johann Friedrich Pfaff gerichtet, der andere (22) in einem Abstand von nur sieben tagen an Carl Freiesleben, den er bittet, die auf einem beiliegenden Zettel gestellten Fragen an den Mathematiker Johann Samuel Traugott Gehler (1751-1795) zur Beantwortung weiterzugeben.
         In diesen beiden Briefen beschäftigte sich Humboldt intensiv mit dem Grund für die Klimaveränderungen. Als Anlaß hierfür vermutete er unterschiedliche Stellungen der Schiefe der Ekliptik. Gedanklich veränderte   er den Winkel zwischen der Erdachse und der Ekliptik, um die jeweiligen Einstrahlungsverhältnisse der Sonne zu ermitteln und zog daraus seine Schlüsse für die Temperaturveränderungen in den nördlichen Breiten.
         Zitat: “Auf meinen rauhen Felsenhöhen hänge ich solchen Träumereien nach. Beraubt von  den nothwendigsten Hilfsmitteln muß ich mich an lebendigen Orakel wenden, und von Ihnen darf ich Nachricht erwarten.” (23)
         Ihm war bekannt, daß die Pflanzen, die  zur Bildung der Kohlenflöze beigetragen haben, in einem wesentlich wärmeren Klima gewachsen sind, als heute in den nördlichen Breiten vorherrscht. Die Äußerungen von Johann Friedrich Blumenbach (1752-1840) haben ihn überzeugt, daß diese Pflanzen nicht aus anderen Regionen eingeschwemmt worden sind, sondern im Bereich ihrer Wachstumsphase lagern. Humboldt führte hier die Zone zwischen den 60. und 70. nördlichen Breitengrad an. Er ging also über den Polarkreis (66 Grad 32 Min 51 Sek) hinaus. (24) Kann man daraus schließen, daß ihm die Kohlenlagerstätten über den gemäßigten Zonen der nördlichen Halbkugel schon bekannt gewesen sind ? Waren ihm die Kohlenvorkommen auf Spitzbergen bekannt, die seit beginn des 20. Jahrhunderts abgebaut wurden? Sicherlich waren die geringen Kohlenvorkommen bei Kulmbach, (25+26) die in seinem Arbeitsgebiet lagen, nicht ausschlaggebend für diese Überlegungen.
         Alexander hatte zu diesem Zeitpunktschon die Werke gelesen, die die Veränderung der Schiefe der Ekliptik behandeln. Somit waren ihm die Ansichten der Wissenschaftler bekannt, die sich mit dem Problem beschäftigt hatten.: Herodot (27), Diodorus (28), Louville (29), La Caille (30), Lalande (31), Lagrange (32), Bode (33) und Bugge (34). Aus den unterschiedlichsten Ansichten dieser Wissenschaftler ergaben sich für Humboldt bezüglich der Auswirkungen, hervorgerufen durch die Veränderung der Schiefe der Ekliptik, folgende Fragen:
         Zitate aus dem Brief an Johann Friedrich Pfaff. (35)
         1) Sie haben ja so trefflich die Alten studiert, aber wo steht die von Louville                   citirte Stelle des Herodot, nach der die Ekliptik auf dem Aequator senkrecht stand?.
         2) Wie kann Bode, Erläuterungen der Sternkunde 1793, S. 544 sagen: Aequator und Eklipte können nie zusammenfallen. Folgt das aus der La Grangischen Theorie von der zusammengesetzten Gravitation?... und die La Landische Hypodese, die ich kenne, ist der La Grangischen doch ähnlich?
          3) Kann nach der Senkung zur Erdaxe nie gewesen zu sein, denn der Wendezirkel liegt unter 23,5 Grad, und unter 40 Grad wächst schon Chamaeros humilis. (36) Bei 48 Grad würde also der 65.- 70. Grad auch Palmenvegetation gehabt haben.
         4) In den Zonen selbst bin ich noch sehr unwissend. Der Polarzirkel steht  doch immer so weit vom Pol als der Wendezirkel vom Aequator ab. Bei der jetzt abnehmenden Schiefe der Ekliptik schränken sich also die heiße und kalte Zone ein, und der ewige Frühling naht..... wo fallen die Polarzirkel hin, wenn die Schiefe der Ekliptik über 45 Grad, z.B. 50-60 Grad wird? Ich weiß wohl, daß das Klima nicht allein von dem Sinus des Eifallwinkels der Sonnenstrahlen herrührt, aber  sagen Sie mir ja, wenn der Aequator auf der Ekliptik je senkrecht stand (wie nach dem Diodorus...) herrschte da eine heiße oder eine kalte Zone über der ganzen Erde? Ich glaube, eine heiße, also eine allverbreitete Solarwelt, ein goldenes Zeitalter?
         5) Giebt es denn keine neuere Messung der Ekliptik als die überall citirte von Bugge 1784 zu 23 Grad 28 Minuten 1,5 Sekunden
         6) Giebt es nicht eine Desertation von Hollmann über die Schiefe der Ekliptik? und muß ich sie lesen?
         Wenn Sie mir meine paar Fragen beantworten, verspreche ich, Sie auch so bald nicht wieder zu quälen! (Zitat Ende)
         Humboldt kannte auch die Meßergebnisse von 1737 nach Condamine (37) 23 Grad 28 Min 24 Sekunden und die von 1743 nach Cassini (38) mit 23 Grad 28 Min. 35 Sekunden.
         Zitat: ...”aber im Ganzen ist doch auch nach Lagrange wohl höchst wahrscheinlich, daß sie abnimmt und immer abnehmen wird? (39)
         Heute wissen wir, daß die Neigung der Erdachse nicht konstant ist, in einem Zyklus von 41000 Jahren verändert sich der Winkel zwischen 21,5 Grad und 24,4 Grad,  z. Zt. beträgt er 23Grad 27 Minuten und wird kleiner. Es ist erstaunlich, daß Humboldt in diesem Zusammenhang nicht die Präzession anführt, die schon Hipparch von Nikäa (40) entdeckt hatte.
         Erst 1912 stellt Alfred Wegener (41) die Ansicht über die Kontinentalverschiebung in den Raum, aus der sich später die Ansicht der Plattentektonik entwickelte.
    Als Humboldt die beiden Briefe verfaßte, hatte er sich sicherlich noch nicht mit der Drift der Kontinente beschäftigt.
         In Humboldts Reisewerk von 1807 “Ideen zu einer Geographie der Pflanzen nebst einem Naturgemälde der Tropenländer” (42) spricht er auf Seite 9 die Vermutung aus, daß Südamerika und Afrika sich getrennt haben müssen.
         Zitat:..... “Sie macht es wahrscheinlich, daß Süd-Amerika sich vor der Entwicklung organischer Keime auf dem Erdboden  von Afrika getrennt, und daß beyde Kontinente mit ihren östlichen und westlichen Ufern einst, gegen den Nordpol hin, zusammengehangen haben.” (Zitat Ende)
         Nach den heutigen Kenntnissen über die Plattentektonik wissen wir, daß die driftenden Platten auf ihrer Reise von der Südhalbkugel in die nördlichen Breiten im Karbon den Äquator passierten und somit für längere Zeiträume dem tropischen Klima ausgesetzt waren, dies dürfte aber nicht der einzige Grund für die Klimaveränderung in unseren Breiten sein.

 

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